Panikmache oder Wahrheit?

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Fulda Aktuell

Osthessen. „Rottweiler zerfleischt Zwergschnauzer“ Diese Schlagzeile ging vor einiger Zeit durch die Region. Die Rottweilerhündin „Molly“ hatte am 25. Juni in Neuhof einen Zwergschnauzer bei seinem Spaziergang angegriffen und tödlich verletzt.

Schnell entbrannte die Diskussion über sogenannte Kampfhunde erneut. Doch kann ein Hund nur aufgrund der Rassenzugehörigkeit gefährlich sein? Was macht diese „Bestien“ gefährlich? Oder ist doch der Mensch der Schuldige?

„Dieser Vorfall hätte verhindert werden können. Hätte der Besitzer einen verantwortungsvollen Umgang mit ,Molly‘ gehabt, wäre es nicht dazu gekommen“, ist sich Oliver Reiling, Vorsitzender des „Tierschutzvereins Fliedetal“, sicher. Er hat die Hündin nach der Beißattacke in Obhut genommen und nun für ein sicheres und kompetentes Zuhause auf einem Gnadenhof gesorgt. Auch Frauke Loup, ausgebildete Hundetrainerin und Spezialistin für aggressive Hunde von der „Hunde-Akademie Perdita Lübbe“, teilt die Meinung von Reiling. (siehe Interview unten) .

„Die Voraussetzungen, für die Haltung eines Hundes, sind in der Hessischen Hundeverordnung klar geregelt“, erklärt Ramona Gärtner von Ordnungsamt Fulda. „Das Halten von sogenannten gefährlichen Hunden obliegt aber gesonderten Regelungen.“ Gärtner und ihre Kollegen sind große Hundefreunde. Sie können aber auch verstehen, wenn Bürger Angst vor Hunden, besonders Kampfhunden haben. Auch sie nimmt den Halter in die Pflicht: „Natürlich gibt es Rassen, anderen schaden können. Die Hunde und deren Halter die auf unserer Halterliste stehen, sind im regen Kontakt mit uns. Dort stehen nicht nur Hunde der gefährlichen Rassen.“

Gefährliche Hunde: Panikmache oder Wahrheit?

Die kleine Lara, Tochter von Oliver Reiling vom „Tierschutzverein Fliedetal“, lernt mit der Labradorhündin Shila und dem Rottweilerrüden Rocky wie man einen Hund richtig führt. Foto: Schmidt

Wichtig sei es, den Besitzern auch mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. „Wir sind auf die Mithilfe von Bürgern angewiesen. Wenn jemandem ein Hund auffällt, sollte der Bürger dies bei uns melden“, so Gärtner.
Die aufgefallenen Halter werden dann überprüft und bei Bedarf wird mit helfender Hand eingegriffen.
„Wir tragen Verantwortung für diese Tiere und versuchen im Sinne des Hundehalters zu handeln.“ Die Rassenliste sei durch statistische Werte entstanden und keine Willkür. „Einen Hund zu halten ist immer eine Frage der Verantwortung. Der Hundehalter muss motiviert sein, seinen Vierbeiner richtig zu führen“, stellt Gärtner fest.

Diese Meinung teilt Reiling auch. Für ihn gibt es keine rassenabhänige Gefährlichkeit. „Es gibt keine Rasse, die von Natur aus böse ist. Der Rottweiler ist eben kein Anfängerhund. Er braucht Konsequenz und eine ordentliche Führung. Ich achte bei meinen Spaziergängen auf mein Umfeld, um Situationen vor meinen Hunden zu erkennen und dann beherrschen zu können“, erklärt er.

Die Abschaffung der Rassenliste würde Reiling sehr begrüßen. Im Gegenzug könne ein Hundeführerschein zur Vermeidung solcher schlimmen Vorfälle beitragen. „Mein Hund muss gehorchen. Wenn ich meinen Hund nicht erziehen kann, sollte ich mir auch keinen anschaffen“, so Reiling.

Der Halter trägt Verantwortung
Interview mit Hundetrainerin Frauke Loup

Osthessen. Frauke Loup ist ausgebildete Hundetrainerin und Spezialistin für aggressive Hunde von der „Hunde-Akademie Perdita Lübbe“.

Fulda aktuell: Was macht Rottweiler, Pit Bull und Co. so „gefährlich“?

Frauke Loup

Frauke Loup

Frauke Loup: Nicht die genannten Rassen sind gefährlich, sondern der Knackpunkt ist, dass oft zu wenig oder falsch erzogen wird. Außerdem bringen Hunde manchmal Charaktereigenschaften mit, die vom Menschen ungünstiger Weise so gefördert werden, dass daraus ein problematisches Verhalten entsteht. Hierzu gehört über die Maße ausgeprägtes abschirmendes Verhalten. Das bedeutet, dass Personen, die sich dem Besitzer nähern, angegangen werden. Das kann verhindert werden, indem der Halter den Hund hinter sich schickt und er selbst solche Situationen managed, statt sie dem Hund zu überlassen. Es sollte nicht der Hund für die Sicherheit des Teams zuständig sein, sondern der Mensch die Verantwortung tragen. Des weiteren kann übersteigertes Beutefangverhalten zum Problem werden, nämlich dann, wenn rennende Kinder, Jogger und andere Bewegungsreize angesteuert werden, ohne dass der Besitzer noch die Kontrolle hat. Oftmals wird die Basis für das ausgeprägte Beutefangverhalten durch Hetzspiele (übermäßiges Ball/Frisbee/ Kong werfen) forciert.

FA: Was sollte ich tun, wenn ich beim Gassigehen einen solchen Hund (vielleicht noch ohne Herrchen) sehe und unsicher werde?

Loup: Nun ist zunächst die Frage, was mit einem „solchen Hund“ gemeint ist? In schwierigen Situationen ist es angesagt, sich möglichst ruhig und gelassen zu bewegen. Leichter gesagt als getan… Jedoch lenken Hektik und Unruhe, Geschrei und Arme hochreißen die Aufmerksamkeit des Hundes besonders stark auf den Menschen. Starrer Blickkontakt sollte vermieden werden, da er aus Hundesicht bedrohlich wirkt. Eventuell kann es helfen, einen Gegenstand zwischen sich und den Hund zu bringen und den Vierbeiner damit auf Abstand zu halten, wenn man sich bedroht fühlt.

FA: Was sollte ein Besitzer tun, wenn er merkt, dass sein Hund auffällig wird?

Loup: Der Besitzer ist in der Verantwortung, sich darum zu kümmern, dass sein Hund keinen Mensch, Artgenossen und auch keinen Gegenstand bedrängt oder gar verletzt. Er muss also unbedingt einschreiten und aufmerksam und achtsam unterwegs sein. Ein kritischer Hund sollte in den entsprechenden Situationen mit Leine und vor allem mit einem Maulkorb ausgestattet sein. Die Erziehung muss bei einem Hund mit gesteigertem Aggressions- oder Beutefangverhalten besonders gut sein.

FA: Was sollte ich beachten, wenn ich mir eine starke Rasse wie Rottweiler, Pit Bull und Co. zu legen?

Loup: Jeder Hund, ganz gleich, um welche Rasse oder um welchen Mix es sich handelt, sollte erzogen werden und mit Hilfe des menschlichen Umgang niemanden bedrängen oder bedrohen. Es ist also vor allem der Mensch gefragt, seinen Hund verantwortungsvoll zu führen.

 

Zwischenruf: Nicht von Natur aus

Immer wieder lese ich mit Erschrecken Schlagzeilen wie „Pitbull beißt Kind ins Gesicht“. Wenn ich dann den Artikel lese und dort beschrieben wird, wie es zu dem Vorfall gekommen ist, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Die Hunde werden als Bestien dargestellt. Doch Fakt ist, dass die Besitzer einfach keine Ahnung haben, wie sie einen Hund richtig führen. Immer wieder habe ich bei meiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Tierheim erlebt, dass Hunde aufgrund von Beißvorfällen abgegeben wurden.

Antonia Schmidt

Antonia Schmidt

Die Besitzer dieser Hunde beschrieben diese häufig als äußert aggressiv. Meistens stelle sich dann heraus, dass die Halter einfach völlig überfordert mit der Führung des Hundes waren. Schon als Kind wurde ich an diese „aggressiven“ Hunde herangeführt lag mit Pitbull, Rottweiler und Co. in ihren Körbchen. Und wurde von Pitbull-Mix „Charly“ im Winter mit dem Schlitten durch den Wald gezogen. Ein Rüde, der zu Beginn seiner Tierheimzeit als hochaggressiv galt, entwickelte sich durch richtige Führung zu meiner Nanny.

Ein Rottweiler ist nun mal zum Schutz von Haus, Hof und Menschen gezüchtet worden. Wenn dieser seine Menschen liebt und die Aufgabe – die er von der Natur aus hat – ausführt und dabei jemand verletzt wird, dann nur, weil der Halter nicht in der Lage ist dies selbst zu tun, sei es aus Unachtsamkeit oder Ahnungslosigkeit. Ich selbst führe eine Rhodesian Ridgeback-Hündin. Auch diese Rasse hat einen natürlichen Schutztrieb, den meine Hündin auch im kontrollierten Maße ausüben darf. Meine Familie und ich haben uns bewusst für diese Rasse entschieden und uns über die Erziehungsmöglichkeiten für einen Hund mit Schutztrieb Gedanken gemacht. Sie darf keinen Menschen oder einem anderen Tier schaden. Jedoch soll sie mich im Notfall beschützen können. Für mich ist es völlig unverständlich, warum sich Menschen einen Hund anschaffen und es nicht für nötig halten, diesen zu erziehen. Häufig darf ich Gespräche über die Schönheit meines Hundes führen. „Ja, sie ist schön aber auch anspruchsvoll“, lautet meistens meine Antwort.

Wer einen Hund nur aufgrund seines Aussehens oder zum Knuddeln halten möchte, dem rate ich doch dringend, sich ein Kuscheltier anzuschaffen. Denn meiner Meinung nach sollte jeder Hund, egal ob klein oder groß, erzogen sein.

Die Hundeverordnung in Hessen

Die GefahrenabwehrVO über das Halten und Führen von Hunden vom 22. Januar 2003 (HundeVO), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 12.11.2013 (Rechtsgrundlage § 71 a HSOG) enthält in seinem § 1 Abs. 1 ein allgemeines Gebot der Rücksichtnahme. Hunde, auch ungefährliche, sind so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahren ausgehen. Sie dürfen außerhalb des eingefriedeten Besitztums der Halterin oder des Halters nicht unbeaufsichtigt laufen gelassen werden.  Ein Verstoß ist bußgeldbewehrt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 HundeVO). Gefährliche Hunde darf nur halten, wer eine Erlaubnis der zuständigen örtlichen Ordnungsbehörde erhalten hat (Abs. 3). Gefährliche Hunde sind die in § 2 Abs. 1 HundeVO gelisteten Rassen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden. Zuletzt aufgenommen in die Rasseliste des § 2 Abs. 1 HundeVO wurde mit ÄnderungsVO vom 16. Dezember 2008 der Rottweiler, wobei nach § 19 Satz 2 HundeVO eine Übergangsregelung galt. Nicht mehr in der Liste geführt werden die Rassen Mastiff, Mastino Napoletano und Fila Brasileiro.

Gefährliche Hunde sind auch diejenigen, die einen Menschen gebissen oder in Gefahr drohender Weise angesprungen haben, sofern dies nicht aus begründetem Anlass geschah, die ein anderes Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben oder die durch ihr Verhalten gezeigt haben, dass sie unkontrolliert andere Tiere hetzen oder reißen und Hunde, die aufgrund ihres Verhaltens die Annahme rechtfertigen, dass sie Menschen oder Tiere ohne begründeten Anlass beißen(§ 2 Abs. 2 HundeVO).

Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes ist nach § 3 Abs. 1 HundeVO u.a. dass die Halterin/der Halter die Sachkunde sowie eine positive Wesensprüfung für den jeweiligen Hund nachweist.

Das Dezernat I 18 – Öffentliche Sicherheit und Ordnung – wurde nach § 100 Abs. 4 HSOG, §§ 6, 7 HundeVO von der Landesregierung bestimmt, im Benehmen mit dem Verband für das Deutschen Hundewesen e.v. und der Landestierärztekammer Hessen Standards für die Durchführung der Sachkunde- und Wesensprüfungen sowie für die Qualifikation der sachverständigen Personen oder Stellen festzulegen und die sachverständigen Personen oder Stellen zu benennen.

Auf der Liste der gefährlichen Hunde stehen:

  1. Pitbull-Terrier oder American Pitbull Terrier
  2. American Staffordshire-Terrier oder Staffordshire
  3. Terrier
  4. Staffordshire-Bullterrier
  5. Bullterrier
  6. American Bulldog
  7. Dogo Argentino
  8. Kangal (Karabash)
  9. Kaukasischer Owtscharka
  10. Rottweiler

 

Quelle: © Fulda Aktuell – Lokalo 24 | Ausgabe vom 30.07.2016

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